GESCHICHTEN VON

SCHAFE UND MENSCHEN

1. Versprechen Fair & Sozial
2. Versprechen Lokal
3. Versprechen Nachhaltig

Wollspinnerei Blunck

Ganz versteckt – in einem Hinterhof in Bad Segeberg – verbirgt sich ein wahrer Schatz. Sobald man durch die Tür des alten Klinkergebäudes schreitet, befindet man sich auf einer Zeitreise. Auf einer Reise in die Welt der ehemaligen Wollspinnerei Blunck. Diese Reise soll in Zukunft jedem möglich gemacht werden. Die alte Streichgarnspinnerei ist auf dem Weg, ein Museum zu werden.

Joachim Christian Blunck gründete 1852 den Wollspinnerei-Betrieb in Bad Segeberg, um ausschließlich Wolle aus der Region zu verarbeiten. Ohne Gas oder elektrisches Licht war das kein leichtes Vorhaben. Zu Beginn wurden die Arbeitsplätze mit Öllampen beleuchtet und es mussten eigene Brunnen gebaut werden, da die Stadt erst 50 Jahre später eine zentrale Trinkwasserversorgung erhielt. Die ersten Maschinen wurden mit einem Pferde-Göpel angetrieben, einige Jahre später wurden diese dann mit Dampfmaschinen ersetzt. So entwickelte sich die Spinnerei immer weiter und wurde als Familienbetrieb am Laufen gehalten.

Der wirtschaftliche Aufschwung, der technische Fortschritt und die sich schnell verändernden Wünsche der Verbraucher nach dem zweiten Weltkrieg jedoch veränderten die Nachfrage von strapazierfähigen Wollprodukten nach und nach immens. Die Bekleidungsindustrie wurde immer mehr in andere Länder ausgelagert und die Absatzzahlen gingen stetig zurück. Zu Beginn der 2010er Jahre wurde die Fertigung und der aktive Betrieb schrittweise eingestellt. Nach 169 Jahren wurde die Wollspinnerei Blunck dann endgültig aus dem Handelsregister abgemeldet.

DIE ZEIT STEHT STILL

Wenn man die Spinnerei betritt, hat man das Gefühl, dass die Mitarbeiter gestern Abend erst nach Hause gegangen sind und eigentlich wiederkommen wollten. Nach einem stillgelegten Betrieb sieht es – abgesehen von der Staubschicht auf allen Dingen – nicht aus. Ein laufender Betrieb soll es auch nicht mehr werden. Ein Museum ist geplant, in dem der komplette Produktionsprozess erfahrbar wird und die Maschinen immer mal wieder aktiv vorgeführt werden.

Unsere Führung beginnt im Waschraum. Dort befindet sich der mittlerweile stillgelegte Dampfkessel, mit dem – mit Hilfe von Steinkohle – warmes Wasser erzeugt wurde, um die angelieferte Rohwolle zu waschen. Direkt daneben steht der große Färbekessel, der auch mit Dampf betrieben wurde. Früher gab es hier ein autarkes System mit dem Kesselhaus. Energie, Wärme, heiße Luft – alles war da und funktionierte. Das ist heute aber nicht mehr darstellbar, da man in das Gebäude eine gewisse Trockenheit reinbringen muss. Vorallem in den Wintermonaten.

Im Nebenraum stossen wir auf den Wolf, der die Wolle lockert und von grobem Schmutz befreit. Die Wollflocken werden dabei durch mehrere mit großen Stahlzähnen besetzte gegeneinander laufende Walzen befördert und nach und nach aufgefasert. Damit ist die Wolle optimal für das Krempeln und Spinnen vorbereitet.

Ein kleiner verwinkelter Weg führt uns in den großen Arbeitsraum im Erdgeschoss. Hier muss es ganz schön geschäftig zugegangen sein, wenn alle Maschinen gleichzeitig liefen. Bis zu 30 Mitarbeiter haben hier in der Spinnerei gearbeitet. Es gab alleine schon acht Frauen in der Strickerei.

Im nächsten Schritt kam die vorbehandelte Wolle aus dem Wolf auf den Krempel und durchlief eine Vielzahl von gegenläufigen Walzen, die mit Stahlnadeln in Laufrichtung bestückt sind. So entstand ein leichter Woll-Flor, der durch die folgenden Quetsch- und Falt-Vorgänge noch weiter verdichtet wurde. Der Florteiler teilte das Flor dann schließlich in gleichmäßige Streifen und rieb sie zu aufwickelbaren Fäden. Das sogenannte Vorgarn wurde auf Walzen gewickelt, damit es in der Spinnerei weiterverarbeitet werden konnte.

Die alte Holztreppe, die uns in das obere Stockwerk führt, ächzt und knarzt unter den Füßen. Man kann bei jedem Schritt die vielen Geschichten spüren, die sich in diesem Gebäude ereignet haben. In jeder Ecke entdeckt man kleine Details, die die Liebe zur Arbeit mit der Wolle spiegeln und man merkt, mit wieviel Leidenschaft hier tagtäglich gewerkelt wurde.

Und dann öffnet sich der Raum und wir stehen vor der Spinnmaschine, die sich über die komplette erste Etage erstreckt. Mit ihrer Länge von 24 Metern und 320 Spindeln ist sie eine wahre Augenweide. Die Spindeln mussten alle von Hand aufgezogen und abgesteckt werden. Ein Spinnvorgang mit einfädigem Garn hat ungefähr 2 Stunden gedauert. Man musste dabei auch immer wieder Walzen nachlegen und Fäden anknüpfen. Natürlich alles in Handarbeit. Die Maschine war sehr empfindlich und daher auch störungsanfällig und sie konnte nur mit sehr viel Erfahrung bedient werden. Die Langlebigkeit hing von der Gewissenhaftigkeit des Bedieners ab.

DAS ENDPRODUKT

Je nachdem zu welchem Zweck das Garn später eingesetzt werden sollte – ob zum Stricken, Handweben oder Verfilzen  – wurde es noch weiter verzwirnt, bei Bedarf gefärbt oder gebleicht und zum Verkauf aufbereitet. Der Blick in die Lager ließ unsere Münder offenstehen. Die Regale sind auch heute noch proppevoll mit hunderten von Kilos fertiger Strick- und Teppichgarne. Die Motten hatten hier in den letzten 10 Jahren wahrlich paradiesische Verhältnisse.

Hinter der Spinnmaschine gut versteckt, liegt die Tür zur Strickerei. Man hat nicht nur das Garn produziert und verkauft, sondern auch Produkte wie gestrickte Wollsocken, Schäfte und vieles mehr direkt hier intern angefertigt und zum Verkauf im angegliederten kleinen Laden an der Straße vorne angeboten.

„DER BETRIEB WURDE EINGESTELLT, WEIL DIE MEISTEN, DIE HIER GEARBEITET HABEN, AUCH SCHON ALT WAREN. WIR ALS NACHWUCHS WURDEN AUCH NICHT ERMUTIGT, DEN BETRIEB ZU ÜBERNEHMEN. AUSSERDEM IST ES ENG UND LAUT HIER, MAN MUSS SCHWERE SACHEN HEBEN. DAS WILL DOCH HEUTE KEINER MEHR. DIE MENSCHEN SIND JA ALLE SO BEQUEM GEWORDEN.“

WIE GEHT ES WEITER?

In den letzten Jahren wurde ein Förderverein gegründet, viele Gelder gesammelt und das Netzwerk ausgebaut, damit man bald mit der Renovierung und Instandsetzung des Gebäudes beginnen kann. Man kann die Nachfahren von Joachim Christian Blunck in vielerlei Weise dabei unterstützen.

  1. Mitglied im Förderverein werden.
  2. Eine Führung durch die Wollspinnerei buchen.
  3. Es werden händeringend Fachkräfte gesucht, die die Maschinen warten und bedienen können. Menschen, die Lust haben, bei der Aufbereitung des Museums-Materials mitzuarbeiten oder in allen möglichen Bereichen ihre Talente und Arbeitskraft einbringen möchten. Kontaktaufnahme direkt über die Website.

„Sinn dieses Museums soll es sein, zu zeigen, wie früher eine Spinnerei ausgesehen und funktioniert hat. So hat man früher mal gelebt, so hat man auf engstem Raum gewohnt. Um das begreifbar zu machen.“

Categories: Projekte